Marias Tagebuch

1

Advent

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Im 26. Regierungsjahr von Kaiser Augustus
Nazareth, Montag nach dem Laubhüttenfest

Liebes Tagebuch,
ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll. Ich muss mit dir auch ein neues Tagebuch anfangen, weil jetzt alles neu und anders ist. Das hätte nicht ins alte Tagebuch gepasst. Ich fang wohl am besten mit dem an, was ich weiß.

Ich bin schwanger.

So. Jetzt steht es hier schwarz auf weiß.
Ich komme einfach nicht drauf, was das alles zu bedeuten hat. Ich meine, ich weiß, wie man schwanger wird, und ich weiß, dass ich mich züchtig und richtig verhalten habe, damit mein zukünftiger Ehemann eine Jungfrau bekommt.

Du wirst mir nicht glauben – ich glaube es ja selbst nicht. Ich hatte eine Vision. Das heißt, es war wohl mehr als nur eine Vision. Ich hatte Besuch von einem Engel. Ich habe davon gehört, dass vor vielen, vielen Jahren Menschen aus unserem Volk diese Erfahrung gemacht haben, aber so die letzten 400 Jahre war es von Gottes Seite her ziemlich ruhig.

Und dann kommt dieser Kerl mit Namen Gabriel und sagt mir einfach so, dass Gott mich auserwählt hat. Wahrscheinlich konnte er sehen, dass ich fast aus den Sandalen gekippt bin. Deshalb sagte er auch gleich: “Fürchte dich nicht!“ Ehrlich gesagt hat das in dem Moment nicht wirklich geholfen. Und dann redete er weiter davon, dass ich einen Sohn bekommen sollte, der „Sohn des
Höchsten“ genannt werden würde.

Meine Gedanken drehten sich rasend im Kreis. Natürlich kenne ich die Prophezeiungen vom Kommen des Messias. Wir alle warten ja darauf. Aber ICH? Und WIE?

Er meinte, der Heilige Geist werde über mich kommen und die Kraft des Höchsten mich überschatten. (Was auch immer das bedeuten mag.) Und das Kind, das in mir heranwächst wird „Sohn Gottes“ genannt werden.

Nun, was soll ich dir sagen, liebes Tagebuch…ich bin schwanger.
Und das wird ALLES verändern…

Bis zum nächsten Mal,

Deine Maria

2

Advent

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Im 26. Regierungsjahr des Kaisers Augustus

Liebes Tagebuch,
jetzt sind ein paar Wochen vergangen. Mein Leben ist total durcheinander geraten, aber mit Josef an meiner Seite werde ich da schon durchstehen. Ich bin gerade bei meiner älteren Kusine Elisabeth. Und stell dir vor, sie ist auch schwanger! Ich meine, Gabriel hat mir das ja auch gesagt. Ich schreibe seinen Namen, als ob es das Natürlichste der Welt wäre, über Engel und ihre Besuche zu sprechen. So, als ob Gabriel und ich jetzt Freunde wären oder sonst was.

Schön langsam beginne ich manche Dinge zu verstehen. Gabriel sagte mir, dass mein Kind König sein würde. Ein König, dessen Herrschaft niemals enden würde.

Niemals.
Niemals ist eine lange Zeit. Wir reden da von etwas Großem, Beeindruckendem und Ewigen. Ich verbringe viel Zeit damit, darüber nachzudenken.

Egal. Ich machte mich so schnell ich konnte auf ins Hügelland von Judäa. Und sobald ich Elisabeths Haus betrat, geschah etwas Eigenartiges. Sie hatte diesen eigenartigen Gesichtsausdruck – Freude und Schmerz schienen sich zu mischen. Dann wurde sie richtig aufgeregt und begann mir zu erzählen, dass sie das Kind in ihrem Bauch spüren konnte. Das hat mich nicht wirklich überrascht. Immerhin ist sie seit 6 Monaten schwanger. Doch dann begann sie zu erklären, dass es ein anderes Gefühl war. Sie nannte mich „Mutter des Herrn.“ Und sie meinte, dass ihr Baby vor Freude in ihrem Bauch gehüpft sei, als sie meine Stimme hörte. Dann segnete sie mich und meinte, dass ich durch meinen Glauben gesegnet
sei. Elisabeth und Zacharias haben mich in einem ihrer Gästezimmer untergebracht und ich bleibe für einige Zeit. Oh, ja, mit Zacharias ist auch etwas passiert. Er kann nicht mehr sprechen. Er hat seine Stimme etwa zu der Zeit verloren, als Elisabeth schwanger geworden ist. Er scheint aber ganz gut damit klar zu kommen.

Schön langsam gewöhne ich mich an diese mysteriösen Vorkommnisse. Ich bin schwanger, und ich bin die Einzige, die wirklich weiß, wer der Vater ist. Vor einigen Tagen habe ich mein erstes Lied geschrieben. Es ist lang. Doch es beginnt mit:
„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes…“

Bis bald

Deine Maria

3

Advent

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Im 27. Regierungsjahr des Kaisers Augustus
Unterwegs nach Bethlehem

Liebes Tagebuch,
Josef hatte schlechte Neuigkeiten für mich. Wir müssen reisen. Ich habe das nicht gut aufgenommen. (Mittlerweile verstehe ich den Sinn dahinter, aber das erzähle ich dir später. Zunächst war ich nicht sehr erfreut.) Ich fühle mich so schwanger, dass ich Angst habe zu platzen. Und wir müssen 140 Kilometer nach Süden entlang des Flusses Jordan, dann nach Westen über die Hügel nahe Jerusalem und weiter nach Bethlehem.

Auf einem Esel!
Und warum?

Nur deshalb, weil Josefs Urgroßvater Silas oder Obadja in Bethlehem geboren ist. Und Kaiser Augustus hat beschlossen, dass sich jeder in einer Steuerliste erfassen lassen muss. Jeder. Und jeder muss das in der Stadt seiner Vorfahren tun. Und bei Josef ist das eben Bethlehem. Wir sind nun schon ein paar Tage unterwegs. Josef ist so fürsorglich und macht mir überhaupt keinen Druck. Ich glaube, dass sogar der Esel spürt, wie belastend diese Reise für mich ist. Doch letzte Nacht, als wir unter freiem Himmel übernachteten, fiel mir etwas ein und ich musste lächeln.

Ich glaube, wir müssen nach Bethlehem gehen.
Beim Propheten Micha heißt es: „So spricht der Herr: Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei… Ich habe die ganze Nacht den Sternenhimmel angesehen. Es fügt sich alles zusammen. Schritt für Schritt. Jetzt hoffe ich nur, dass wir in der Karawanserei in Bethlehem einen Platz bekommen…

Bis bald

Deine Maria

4

Advent

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Im 27. Regierungsjahr des Kaisers Augustus, Bethlehem

Liebes Tagebuch,
Zurzeit komme ich kaum zum Schreiben. Jesus ist auf die Welt gekommen – nicht in der Karawanserei wie erhofft, sondern in einer Höhle, die die Hirten als Stall benutzten. Erst am nächsten Tag gelang es uns, ein Zimmer zu bekommen. Ich muss zugeben, Jesus sieht aus wie ein ganz normales Baby.

Aber ich muss dir erzählen, was sich vor ein paar Tagen ereignet hat. Wir waren in unserem Quartier, als wir unerwarteten Besuch bekamen. Und dieser Besuch hat unser Leben wieder einmal völlig auf den Kopf gestellt und wir müssen unsere Sachen packen und nach Ägypten fliehen.

Lass es mich erklären.
Ich war gerade dabei, Jesu Windeln zu wechseln, als Josef mich rief und meinte, wir hätten Besuch. Ich ging vor die Tür und traute meinen Augen nicht. Da war eine Gruppe von Männern (ich glaube mich zu erinnern, dass sie davon sprachen, Astronomen oder königliche Berater zu sein.) Auf jeden Fall kamen sie aus dem fernen Osten. Ich habe noch nie solche Leute gesehen. Sie waren Heiden. Das erkannte ich sofort. Und ihrem Gewand nach zu schließen, kamen sie entweder aus Babylon oder Persien. Sie schienen auch irgendwie religiös. Irgendwie halt. Aber sie waren wirklich gebildet – und dabei ganz bescheiden. Sie erzählten uns, dass ein Stern sie zum neugeborenen König der Juden geführt hatte. Und sie wären gekommen, um ihn anzubeten. Meinen kleinen Jesus. Und sie haben eine echt lange Reise auf sich genommen. Sie brachten eigenartige Geschenke. Gold und Weihrauch sind ja passend für einen König und Gott. Aber da war auch Myrrhe. Und die wird eigentlich erst verwendet, wenn….ja, wenn jemand gestorben ist. Aber vielleicht hat Myrrhe in ihrer Kultur eine andere Bedeutung. Da muss ich mich noch schlau machen.

Auf jeden Fall fiel mir sofort der Prophet Jesaja ein, als ich diese eigenartigen Männer sah. „Und die Heiden werden zu deinem Licht ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Sie werden aus Saba kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkünden. (Jes 60,3,6)

Es fügt sich alles zusammen.
Ich kann nicht glauben, dass diese Heiden die ersten sein sollen, die einen jüdischen König ehren. Ich frage mich, was Gott uns damit sagen will. Und dann hatte Josef diesen Traum. Wieder war es Gabriel, der uns vor Herodes warnte. Er wolle das Kind töten lassen. Also sind wir ab morgen wieder unterwegs. Diesmal nach
Ägypten, wo Herodes keine Macht besitzt. Jesus ist in unsere menschliche Realität hineingeboren und seine Anwesenheit allein hat alles verändert.

Das ist etwas Großes. Ein König fürchtet sich vor ihm, Weise kommen und beten ihn an. Ich frage mich, was Gott uns damit sagen will.

Ich weiß nicht, wann ich wieder zum Schreiben komme.

Also bis bald, liebes Tagebuch,
Maria

Von Lisa D. Meyers
Übersetzt ins Deutsche von Karin Inhof